• DER VOLKSTYP

    DER VOLKSTYP

    Rezension von Peter Wittmann:
    Der Volkstyp: Unter diesen Titel stellt Uta M. Matschiner ihre Würdigung der Keramikfiguren von Leopold Anzengruber, die ab dem Ende der Vierzigerjahre des letzten Jahrhunderts in dessen Firma „Anzengruber Keramik Wien“, entworfen und produziert wurden. Den Rahmen der Publikation bilden eine Vielzahl von Erläuterungen aus den Beständen des Archivs des „Österreichischen Volksliedwerkes“, die von Irene Egger zusammengestellt wurden.

    Leopold Anzengruber wurde 1912 in Aichet bei Steyr in eine Gastwirtsfamilie geboren und wurde zum Elektrotechniker ausgebildet. Aber schon mit 19 Jahren zieht es den jungen Mann nach Italien, aus dem er erst 10 Jahre später, nach Anfängen als Aquarellist und Entwerfer sehr bald in Keramikwerkstätten und –fabriken arbeitend, nach Österreich zurückkehren sollte. Nach wechselnden Positionen in keramischen Betrieben übernimmt er 1949 eine keramische Werkstätte, die unter dem Namen „Anzengruber Keramik Wien“ über seinen Tod hinaus bis 1989 besteht. In diesen Jahren entfaltet Anzengruber seine überaus sprühende, kreative Kraft, die verschiedenste Gebiete der Kunst- und Gebrauchskeramik abdeckt.

    Ein roter Faden, den Matschiner zum Gegenstand des Buches macht, ist der sogenannte Volkstyp, den sie exemplarisch an den Themengruppen „Der Wiener beim Heurigen“, „Lumpazivagabundus“, „Der Nachtwächter“, „Der Musikant“, „Die Tracht“ und  „Das Tanzpaar“ vorstellt. Darüber hinaus existieren eine große Anzahl anderer Volkstypen, die Anzengruber dargestellt und in Variationen angeboten hat. Sie reichen vom Schirmmacher, Matrosen, Bücherbub, der Holländerin, den Wanderburschen und anderen Figuren hin bis zum Ausrufer. Im Unterschied zum umfassenden Werkverzeichnis zu Anzengruber, dessen Hauptgewicht auf der fast lückenlosen Katalogisierung des gesamten handmodellierten keramischen Schaffens Anzengrubers liegt, werden die Volkstypen im soziohistorischen Kontext dargestellt, der vor allem mit Dokumenten des Volksliedes, auch des volkstümlichen, illustriert wird. Die Illustrationen zeigen Titelseiten von Partituren, Fotos von Volkssängern, Covers von LPs und andere anschauliche Materialien. Ein kurzer historischer Abriss erläutert die Geschichte des “Österreichischen Volksliedwerkes“ und die wichtigsten Sammler dieser volkskundlichen Gegenstände. In kurzen, einführenden Texten wird der historische Hintergrund beleuchtet. Matschiner zieht einen Bogen von der Metternichschen Zensur über die Instrumentalisierung der Volkskunst durch den Nationalsozialismus bis hin zur restaurativen Zeit der Fünfzigerjahre des 20. Jahrhunderts, in der auch die Anzengruberschen Volkstypen entstanden. Sie sind einerseits Beleg dieser Stimmung, die rückwärtsgewandt, die vorangegangenen Gräuel verdrängend, in die Wohnzimmer geholt werden, andererseits in ihrer freien gestalterischen Interpretation schon Vorboten einer sich auch in Österreich Bahn brechenden Moderne.

    Der ganz besondere Charme dieser Figuren besteht zu allererst in ihrer Fröhlichkeit und treffend darstellenden Modellierung. Darüber hinaus ist in der Individualisierung jeder hergestellten Figur ein besonderer Reiz zu sehen. Kein Musikant gleicht dem anderen, jedem ist ein eigener Hut, eine eigene Frisur oder Bart und stets abweichende Gestik zugedacht. In dieser, als Unikattechnik bezeichneten Arbeitsweise, wurden auf Basis von acht Gipsmodellen des Kopfes die verschiedenen Volkstypen in nicht endenden Variationen hervorgebracht. Abschließend sei an dieser Stelle auf einen kleinen Mangel der Publikation hingewiesen: den Volkstyp an sich in seiner kunsthistorischen Herausbildung und in der Keramik zumindest zu streifen. Die wohl berühmtesten Darstellungen der „Wiener Kaufrufe und anderer Berufsdarstellungen“ gehen auf Johann Christian Brand zurück, der zahllose Nachahmer fand und dessen 40 Kupferstiche, und damit schließt sich der Kreis zur Keramik, unmittelbaren Niederschlag in der zwischen 1740 und 1786 entstandenen Serie von etwa 65 Figuren der Wiener Porzellanmanufaktur fand. Sie sind zum Teil heute noch im Nachfolgeunternehmen, der „Wiener Porzellanmanufaktur Augarten“ in Produktion.



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  • ERöFFNUNG UND BUCHPRäSENTATION

    ERöFFNUNG UND BUCHPRäSENTATION

    Exakt genau am Tag des 100. Geburtstages von Leopold Anzengruber, am 30. März 2012, fand im Österreichischen Volksliedwerk Wien die Eröffnung der Ausstellung und die Buchpräsentation „Der Volkstyp“ im Beisein von der Verwandtschaft des Künstlers statt.
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